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Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf, Az. I-20 W 157/07


Manchmal erfährt der Staatsbürger durch Gerichtsurteile mehr, als unserer Obrigkeit lieb ist. So geschehen am 27. Dezember 2007 in Düsseldorf, als der Richter sich in seiner Urteilsbegründung quasi "verplappert" hat.

Schon seit längerem wurde in einschlägigen Internet-Foren darüber gemutmaßt, ob es einen geheimen Vertrag zwischen der Firma Microsoft und den weltweiten Strafverfolgungsbehörden gibt, ob von den Windows-Betriebssystemen des Unternehmens Microsoft bei der Internet-Nutzung in geheimen Datenpaketen auch Angaben über das verwendete Benutzerkonto übermittelt werden. Argwohn hatte vor allem der Registrierungszwang von Windows ausgelöst: Seit Windows XP muß der Microsoft-Kunde sich nach der Installation des Betriebssystems telephonisch oder online bei einem zentralen Server des Unternehmens melden, um das Windows-Produkt freischalten zu lassen. Unklarheiten und Rätselraten drehte sich stets um die Frage, welche persönlichen Daten des Anwenders dabei übertragen werden.

Aufgrund der bekannten engen Zusammenarbeit zwischen Microsoft und der US-amerkanischen Strafverfolgungsbehörde FBI (Federal Bureau of Investigation, zu deutsch: Fachbereich Informatik) stand darüberhinaus auch die Vermutung im Raum, daß personenbezogene Daten auch im Rahmen der Internet-Kommunikation, also der Kommunikation in der Protokollfamilie TCP/IP, an zentrale Server übermittelt werden. Der Benutzer wurde damit seine Anonymität im Netz grundsätzlich verlieren, jedwede Aktivität könnte somit nicht nur anhand der IP-Adresse einem Anschluß, sondern anhand der zusätzlichen Daten sogar dem Benutzerkonto zugeordnet werden.

Daß eine derartige zwangsweise Offenlegung der persönlichen Identität nicht nur gegenüber amerikanischen Behörden, sondern weltweit auch gegenüber anderen Strafverfolgern, z.B. gegenüber den deutschen Polizeidienststellen und Gerichten erfolgt, wurde nun aus der Begründung eines Beschlusses des Oberlandesgerichts Düsseldorf deutlich.

Bei der Formulierung seines Textes verwechselte der Richter offensichtlich ein Geheimpapier von Microsoft, das nur für die Organe der Strafverfolgung und Rechtspflege gedacht ist und der Öffentlichkeit nicht bekannt werden soll, mit der allgemeinen Bedienungsanleitung der Windows-Betriebssysteme. So führt er aus, daß durch verschiedene Benutzerkonten für den einzelnen Anwender an einem Internet-Anschluß dessen Anonymität aufgehoben werde. Mit den Worten "Auf die entsprechende Möglichkeit weist die Firma Microsoft ausdrücklich hin" bezieht er sich offensichtlich auf eine entsprechende Passage in der geheimen Windows-Dokumentation, die erläutert, wie die Strafverfolgungsbehörden anhand der TCP/IP-Kommunikation eines Internet-Anschlusses auf das konkrete Benutzerkonto auf dem verwendeten PC zurückschließen können, sofern dort ein aktuelles Windows-System installiert ist.

Der verantwortliche Richter wird sicherlich aufgrund des Geheimnisverrats Regreßansprüche gegenüber Microsoft-Chef Bill Gates befriedigen müssen, für die Öffentlichkeit ist aber jetzt eindeutig klargestellt, daß man bei Verwendung eines Windows-Betriebssystems im Internet grundsätzlich nicht anonym ist. Zwar wurde nicht aufgeführt, auf welchem Wege die Gerichte aus der TCP/IP-Kommunikation auf das Windows-Benutzerkonto schließen können, jedoch kann dies nicht aufgrund der IP-Adressen erfolgen, ist diese doch für alle Anwender eines gemeinsamen Internet-Anschlusses stets dieselbe. Somit können Techniken, die die IP-Adresse verschleiern, z.B. Anonyminiserungsdienste, Verschlüsselungsnetze wie TOR, andere Onion-Routing-Protokolle oder VPN-Server im Ausland, diese Lücke nicht schließen. Sobald der Anwender ein aktuelles Windows-System mit Benutzerkonten verwendet, ist er laut dem vom Richter genannten ausdrücklichem Hinweis im Geheimdokument von Microsoft identifizierbar. Selbst bei Verwendung von Programmen, die nicht ständig interaktiv benutzt werden, sondern permanent als Dienst im Hintergrund laufen, wie z.B. Tauschbörsen (eMule/eDonkey2000, Gnutella, BitTorrent, etc.), ist die Zuordnung zum Benutzerkonto gewährleistet. Denn genau um solche Dienste, mit denen häufig Urheberechte verletzt werden, geht es im Beschluß des Düsseldorfer Gerichts. Somit kann auch hierbei durch das bloße Verbergen der IP-Adresse keine Anonymität mehr gewährleistet werden.

Für den Betreiber eines offenen WLAN-Zugangs ist dieses Urteil aber durchaus auch von Vorteil: Das WLAN muß nicht grundsätzlich gegenüber Außenstehenden abgeschottet werden, sondern es reicht aus, durch technische Vorkehrungen sicherzustellen, daß nur Benutzer von Microsoft-Software mit von Microsoft kontrollierten Benutzerkonten auf den WLAN-Access-Point zugreifen. Sobald der Betreiber des WLANs Benutzer anderer Betriebssysteme (wie z.B. Linux oder OSX) durch technische Maßnahmen ausschließt, ist der einzelne Anwender gemäß Richterspruch anhand seines Benutzerkontos durch Microsoft identifizierbar, die Störerhaftung des Anschlußinhabers entfällt somit.


Oberlandesgericht Düsseldorf
Beschluß vom 27. Dezember 2007 - I-20 W 157/07
Einrichtung von Windows-Benutzerkonten

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 13. August 2007 wird zurückgewiesen.

Gründe

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners vom 6. September 2007 ist zulässig, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

[...] Es fehlt an der für die Gewährung der Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung, die vom Antragsgegner beabsichtigte Rechtsverteidigung wird aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben.

Der Antragsgegner hat für die unter Nutzung seines Anschlusses begangenen Urheberrechtsverletzungen nach den Regeln der Störerhaftung einzustehen. Der Senat teilt die von den Oberlandesgerichten Köln (Beschluß vom 8. Mai 2007, Aktenzeichen: 6 U 244/06) und Hamburg (Beschluß vom 11. Oktober 2006, Aktenzeichen: 5 W 152/06) vertretene Auffassung:

Störer ist, wer in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung eines geschützten Guts beigetragen und zumutbare Sicherungsmaßnahmen unterlassen hat (BGH, NJW 2004, 3102, 3205: Internetversteigerung). Hierfür genügt, daß der Antragsgegner willentlich einen Internetzugang geschaffen hat, der objektiv für Dritte nutzbar war. Ob die Urheberrechtsverletzungen von seinem Computer aus begangen worden sind oder ob Dritte unter Ausnutzung seines ungesicherten WLAN-Netzes auf seinen Internetzugang zugegriffen haben, ist ohne Bedeutung. Ohne den vom Antragsgegner geschaffenen Internetzugang hätte weder die eine noch die andere Möglichkeit bestanden. Die Schaffung des Internetzugangs war folglich für die Rechtsverletzung in jedem Fall kausal. Daß sein Computer ohne seinen Willen über WLAN mit dem Internet verbunden worden sei, hat der Antragsgegner nicht behauptet.

Der Antragsgegner hat zumutbare Sicherungsmaßnahmen unterlassen. Er hat eine neue Gefahrenquelle geschaffen, die nur er überwachen kann. Objektiv gesehen hat er es Dritten ermöglicht, sich hinter seiner Person zu verstecken und im Schutze der von ihm geschaffenen Anonymität ohne Angst vor Entdeckung ungestraft Urheberrechtsverletzungen begehen zu können. Von daher ist es gerechtfertigt, ihm zumindest die Sicherungsmaßnahmen abzuverlangen, die eine Standardsoftware erlaubt. So hätte er für die verschiedenen Nutzer seines Computers Benutzerkonten mit eigenem Passwort installieren können, die einem aus diesem Kreis stammenden Verletzer wenigstens den Schutz der Anonymität genommen hätte. Auf die entsprechende Möglichkeit weist die Firma Microsoft ausdrücklich hin. Das Risiko eines von außen unternommenen Zugriffs auf das WLAN-Netzwerk hätte er durch Verschlüsselung minimieren können, die eine Vielzahl von WLAN-Routern als mögliche Einstellung standardmäßig vorsehen. Wenn der Antragsgegner solche Maßnahmen gleichwohl unterlässt, weil er sie für lebensfremd erachtet, hat er eben die Konsequenzen zu tragen.

Ein Verschulden ist für das Bestehen des Unterlassungsanspruchs nicht erforderlich.

Es besteht Wiederholungsgefahr. Abgesehen davon, daß diese in aller Regel nur durch eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ausgeräumt werden kann, hat der Antragsgegner noch nicht einmal behauptet, die vorstehend beschriebenen Maßnahmen inzwischen ergriffen zu haben.

Eine Kostenerstattung findet nicht statt, § 127 Abs. 4 ZPO.

 
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